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Die Entwicklung der prozess-erfahrungsorientierten Therapie durch Greenberg, Rice und Elliott

 

An der Schnitt­stelle zwi­schen For­schung und Pra­xis wurde in den 90er Jah­ren von Green­berg, Rice & Elliot (1993) die pro­zess-erfah­rungs­ori­en­tierte The­ra­pie (P/E) begrün­det. Im Hin­ter­grund ste­hen die For­schungs­stu­dien, die zei­gen, dass gestalt­the­ra­peu­ti­sche Inter­ven­ti­o­nen emo­ti­o­nale Pro­zesse in spe­zi­fi­scher Weise akti­vie­ren. Die The­ra­pi­e­the­o­rie macht in vie­ler Hin­sicht das expli­zit, was in der Gestalt- und kli­en­ten­zen­trier­ter The­ra­pie intu­i­tiv ent­wi­ckelt wurde. Inso­fern stellt die PE in The­o­rie und Pra­xis eine Pro­jek­tion von huma­nis­ti­schem Erfah­rungs­wis­sen in einen wis­sen­schafts­ba­sier­ten Raum dar. Die pro­zess-erfah­rungs­ori­en­tierte The­ra­pie kann als eine inte­gra­tive Neu­ent­wick­lung inner­halb der huma­nis­ti­schen The­ra­pie­o­ri­en­tie­run­gen betrach­tet wer­den. Sie basiert im wesent­li­chen auf den For­schun­gen an der York-Uni­ver­si­tät und stellt einen Ver­such dar, zen­trale the­ra­peu­ti­sche Aspekte der kli­en­ten­zen­trier­ten und Gestalt­the­ra­pie zusam­men zu füh­ren. Inte­griert wer­den in die­sem expe­ri­men­telle The­ra­pie-Ansatz (a) die huma­nis­ti­sche Ori­en­tie­rung auf Erfah­rung und Pro­zess, (b) die Basis­hal­tung von kli­en­ten­zen­trier­ter The­ra­pie, Empa­thie und Ver­ba­li­sie­rung zu för­dern, sowie (c) die gestalt­the­ra­peu­ti­sche Hal­tung, auf das Hier und Jetzt zu fokus­sie­ren und dar­über aktiv Erfah­rung zu ermög­li­chen. Unter spe­zi­fi­zier­ten Bedin­gun­gen, ins­be­son­dere wenn der Pati­ent nicht im Kon­takt mit sei­nen Gefüh­len ist, schlägt der The­ra­peut wesent­lich der Gestalt­the­ra­pie ent­nom­mene Expe­ri­mente vor, die dem Pati­en­ten hel­fen kön­nen, seine zugrunde lie­gen­den Gefühle und Erfah­run­gen zu erfor­schen.

The­o­re­tisch ist die­ser Ansatz (wie in Abschnitt 1.2.1.4 dar­ge­stellt) stark beein­flusst von der kogni­ti­ven Psy­cho­lo­gie Pia­gets und sei­nem Schema-Begriff: Bereits ein­ge­führt wor­den ist der Begriff des „emo­ti­o­na­len Sche­mas“, das die Erfah­run­gen und Hand­lun­gen lei­tet (Green­berg 1975, Green­berg & Pai­vio 1997). Green­berg & Pai­vio (1997) gehen davon aus, dass dys­funk­ti­o­nale emo­ti­o­nale Sche­mata das gesunde Funk­tio­nie­ren von Erfah­run­gen und Ver­hal­ten stö­ren. Wie in der Gestalt­the­ra­pie gehen die Auto­ren davon aus, dass Erfah­rung und Bedeu­tungs­ge­bung Ergeb­nis eines Kon­struk­ti­ons­pro­zes­ses sind, inte­griert aus sen­so­ri­schen, per­zep­­tu­el­len und emo­ti­o­na­len Infor­ma­ti­o­nen und Erin­ne­run­gen. Die The­ra­pie zielt auf die­sen Kon­struk­ti­ons­pro­zess (Abschnitt 1.2.1.4). Die The­ra­pie soll dem Kli­en­ten einen Zugang zu sei­nen dys­funk­ti­o­na­len Sche­mata sowie den zugrunde lie­gen­den, meist kind­li­chen Erfah­run­gen ermög­li­chen. Ziel ist, zu einer adäqua­te­ren Sym­bo­li­sie­rung der Erfah­run­gen und einer Neu­struk­tu­rie­rung der emo­ti­o­na­len Sche­mata zu gelan­gen.

Im the­ra­peu­ti­schen Pro­zes­ses steht zunächst im Vor­der­grund, dass der The­ra­peut den Kli­en­ten empa­thisch ver­steht (siehe unten „the­ra­peu­ti­schen Prin­zi­pien“). Dies hilft dem Kli­en­ten, sich zunächst selbst tie­fer zu explo­rie­ren. Dabei wer­den schließ­lich wich­tige und belas­tende Aspekte des Erle­bens des Pati­en­ten fokus­siert. Im gesam­ten Pro­zess ist es Auf­gabe des The­ra­peu­ten, auf bestimmte dia­gno­s­ti­sche Kri­te­rien zu ach­ten, die als „ko­gni­tiv-affek­tive Mar­ker“ bezeich­net wer­den, und bestimmte Schwie­rig­kei­ten des Kli­en­ten indi­zie­ren. Diese Mar­ker bil­den den pro­zess­dia­gno­s­ti­schen Anteil an der the­ra­peu­ti­schen Arbeit.

Pro­zess­dia­gno­s­tik: Ein zen­tra­ler Aspekt der the­ra­peu­ti­schen Arbeit ist die Pro­zess­dia­gno­s­tik. Der The­ra­peut för­dert einer­seits die Selbst­ex­plo­ra­tion des Pati­en­ten, behält aber gleich­zei­tig den Pro­zess im Blick­punkt. D.h. der The­ra­peut wech­selt dazwi­schen, (a) dem Pati­en­ten in sei­ner Selbst­ex­plo­ra­tion zu fol­gen und (b) den Pro­zess aktiv in die Hand zu neh­men, wenn bestimmte dia­gno­s­ti­sche Kri­te­rien („af­fek­tiv-kogni­tive Mar­ker“) erfüllt sind.

Affek­tiv-kogni­tive Mar­ker: Im Rah­men der Pro­zess­dia­gnose iden­ti­fi­ziert der The­ra­peut be­­stimmte Mar­ker. Sechs ver­schie­dene Mar­ker indi­zie­ren bestimmte aktive Inter­ven­ti­o­nen: (1) Pro­ble­ma­ti­sche Reak­tion auf ein bestimm­tes Ereig­nis, (2) man­gel­haf­tes Selbst­ver­ständ­nis, (3) kon­flikt­hafte Selbst­­be­wer­tung, (4) Selbst­un­ter­bre­chungs­kon­flikt, (5) unab­ge­schlos­se­ner Pro­zess und (6) Ver­letz­­bar­keit. Ist der Kli­ent mit sich sel­ber, sei­nen Erfah­run­gen und Gefüh­len in Kon­takt, folgt der The­ra­peut. Ist der Kli­ent blo­ckiert, greift der The­ra­peut aktiv in den Pro­zess ein.

Aktive Inter­ven­ti­o­nen: Stellt der The­ra­peut im Ver­lauf einer Sit­zung fest, dass die Kri­te­rien eines Markers erfüllt sind, zB. wenn der Kli­ent nur an der Ober­flä­che sei­ner Erfah­run­gen ist, schal­tet er sich ein und unter­stützt den Kli­en­ten, eine Erfah­rung leben­dig und unmit­tel­bar erneut zu durch­le­ben. Dabei beto­nen die Auto­ren, dass es wich­tig ist, alle Aspekte des Ereig­nis­ses, die zu einem emo­ti­o­na­len Schema gehö­ren, z.B. emo­ti­o­nale, per­zep­tu­elle, aber auch kogni­tiv-intel­lek­tu­elle, zu repro­zes­sie­ren. Es las­sen sich drei Basi­s­ty­pen von Inter­ven­ti­o­nen unter­schei­den (Rice & Green­berg 1990): (a) Expe­ri­en­tial sea­rch: emo­ti­o­nale Fokus­sie­rung ähn­lich dem Focus­sing von Gend­lin und gestalt­the­ra­peu­ti­schem Awa­ren­ess. Beim Wie­der­auf­le­ben einer alten, uner­le­dig­ten Situa­tion rich­ten die Kli­en­ten ihre Auf­merk­sam­keit auf das eigene innere Erle­ben, um es im Hier und Jetzt zu erfor­schen; (b) active Expres­sion: akti­ver, spon­ta­ner Aus­druck des unmit­tel­ba­ren Erle­bens unter­stützt vom The­ra­peu­ten, z.B. durch Zwei-Stuhl-Tech­nik; (c) inter­per­so­nal expe­ri­en­tial lear­ning: der Kli­ent erlebt in der the­ra­peu­ti­schen Bezie­hung Bestä­ti­gung und Ver­ständ­nis, wenn er Schwie­rig­kei­ten, Angst, Ver­zweif­lung aus­drückt und eigent­lich Ableh­nung durch den The­ra­peu­ten erwar­tet.

Im Fol­gen­den wer­den Mar­ker defi­niert und die zuge­hö­ri­gen akti­ven Inten­ti­o­nen beschrie­ben:

  1. Mar­ker für pro­ble­ma­ti­sche Reak­tion auf ein bestimm­tes Ereig­nis: Kli­ent erin­nert sich an eine Reak­tion in einer bestimm­ten Situa­tion, die er selbst als pro­ble­ma­tisch ansieht. Die­ser Mar­ker bil­det die Indi­ka­tion für die Inter­ven­ti­onss­tra­te­gie der sys­te­ma­ti­schen evo­zie­ren­den Erschlie­ßung: In die­ser Inter­ven­ti­onss­tra­te­gie lei­tet der The­ra­peut den Kli­en­ten dazu an, die kri­ti­sche Szene in ver­lang­sam­ter Form wäh­rend der The­ra­pie­stunde erneut zu durch­le­ben und zu unter­su­chen. Explo­riert wer­den dabei Aus­lö­se­si­tua­tion und emo­ti­o­nale Reak­tion.
  2. Mar­ker für unkla­res inne­res Emp­fin­den: Der Kli­ent hat in sei­nem inne­ren Erle­ben ein vages Gefühl, dass etwas nicht in Ord­nung ist und es fällt ihm schwer sein inne­res Erle­ben in Worte zu fas­sen. Die­ser Mar­ker bil­det die Indi­ka­tion für die Inter­ven­ti­onss­tra­te­gie des erle­ben­s­o­ri­en­tier­ten Focu­sing: Nach­dem in der The­ra­pie­stunde ima­gi­na­tiv ein siche­rer Raum geschaf­fen wor­den ist, rich­tet der Kli­ent die ganze Auf­merk­sam­keit auf sein inne­res Emp­fin­den, erforscht die­ses ver­tieft und sucht Benen­nun­gen für das Emp­fin­den.
  3. Mar­ker für Spal­tung: Zwei Aspekte des Selbst befin­den sich kon­flikt­haft im Wider­spruch, beglei­tet von einer emo­ti­o­na­len Span­nung zwi­schen die­sen Aspek­ten. Die­ser Mar­ker bil­det eine Indi­ka­tion für die Inter­ven­ti­onss­tra­te­gie des Dia­lo­ges mit zwei Stüh­len: Iden­ti­fi­ziert und getrennt wer­den zunächst die bei­den Selbst­a­spekte, die auf zwei Stüh­len reprä­sen­tiert sind. Im Rol­len­spiel über­nimmt der Kli­ent die Dar­stel­lung bei­der Sei­ten, die in einen Dia­log ein­tre­ten.
  4. Mar­ker für selbst­un­ter­bre­chende Spal­tun­gen: Ein Teil des Selbst kon­trol­liert und blo­ckiert den Aus­druck eines ande­ren Teils. Die­ser Mar­ker bil­det eben­falls eine Indi­ka­tion für die Inter­ven­ti­onss­tra­te­gie des Dia­lo­ges mit zwei Stüh­len: wie unter (3) wer­den zunächst die bei­den Selbst­a­spekte iden­ti­fi­ziert und getrennt, die der Kli­ent auf zwei Stüh­len dar­stellt. Im Rol­len­spiel lässt der Kli­ent diese dann in einen Dia­log ein­tre­ten.
  5. Mar­ker für uner­le­digte Pro­zesse („un­fi­nis­hed busi­ness“): Ein Kli­ent berich­tet ein anhal­ten­des unauf­ge­lös­tes Gefühl, gegen­über dem er sich hilf­los fühlt und das sich auf eine wich­tige („si­gni­fi­kante“) Per­son bezieht. Die­ser Mar­ker bil­det die Indi­ka­tion für die Inter­ven­ti­onss­tra­te­gie des Dia­lo­ges mit lee­rem Stuhl: Der Kli­ent bring inten­siv seine unauf­ge­lös­ten Gefühle zum Aus­druck. Opti­o­nal kann aus Sicht der signi­fi­kan­ten Per­son geant­wor­tet wer­den, um zu einer Dif­fe­ren­zie­rung der Sicht­wei­sen zu gelan­gen.
  6. Mar­ker für Ver­letz­bar­keit: Eine starke selbstre­le­vante nega­tive Emo­tion ver­bun­den mit kör­per­li­chem Aus­druck ist cha­rak­te­ris­tisch für viele Situa­ti­o­nen, in denen ein Kli­ent sich ver­letz­lich gefühlt hat. Indes­sen hat der Kli­ent einen tie­fen Wider­wil­len dage­gen, diese Emo­tion aus­zu­drü­cken. Die­ser Mar­ker bil­det die Indi­ka­tion für die Inter­ven­ti­onss­tra­te­gie des empa­thi­schen Bestä­ti­gens: Der Kli­ent bringt seine unauf­ge­lös­ten Gefühle zum Aus­druck und durch­lebt inten­siv die gefürch­tete Emo­tion oder den schmerz­li­chen Selbst­a­spekt.

Eine Ver­än­de­rung der emo­ti­o­na­len Sche­mata und der mit ihnen ver­bun­de­nen Erle­bens- und Ver­halts­mög­lich­kei­ten des Kli­en­ten, braucht die Basis der Sicher­heit der the­ra­peu­ti­schen Bezie­hung. Die Sicher­heit erlaubt zusam­men mit den erfah­rungs­evo­zie­ren­den Inter­ven­ti­onss­tra­te­gien emo­ti­o­nale und epi­so­di­sche Infor­ma­ti­o­nen neu zu erfah­ren, zu ver­ba­li­sie­ren und in das emo­ti­o­nale Schema zu inte­grie­ren. Durch den unmit­tel­ba­ren Kon­takt mit z.B. angst­aus­lö­sen­den Aspek­ten, kön­nen neues Erle­ben und zugrunde lie­gende pri­märe Gefühle und Bedürf­nisse in das Gewahr­sein kom­men. Der Aus­druck von Gefüh­len wird über die akti­ven Inter­ven­ti­o­nen neu erprobt und erfah­ren und zuvor im Hin­ter­grund lie­gende Erfah­run­gen, Erin­ne­run­gen, Gefühle und Bedürf­nisse kön­nen über ihre Ver­ba­li­sie­rung in das emo­ti­o­nale Schema rein­te­griert wer­den. In jün­ge­ren Ver­öf­fent­li­chun­gen schlägt Green­berg vor, dass die Umstruk­tu­rie­rung der emo­ti­o­na­len Sche­mata am ehes­ten statt­fin­det, indem eine Emo­tion in eine andere trans­for­miert wird (Green­berg 2002). Dies ist in ers­ter Linie mög­lich, indem der Kli­ent zu sei­nen ver­schüt­te­ten, zugrunde lie­gen­den Emo­ti­o­nen und Bedürf­nis­sen Zugang fin­det.

Sechs the­ra­peu­ti­sche Prin­zi­pien wer­den for­mu­liert, wobei die ers­ten bei­den den von Rogers defi­nier­ten Basis­va­ri­a­blen ent­spre­chen: (1) Empa­thi­sches Ver­ste­hen des Pati­en­ten, sei­nes inne­res Bezugs­sys­tems, sei­ner Infor­ma­ti­ons­ver­a­r­bei­tung und sei­ner aktu­ell ablau­fen­den Pro­zesse; (2) Aus­druck die­ses empa­thi­schen Ver­ste­hens durch den The­ra­peu­ten und Auf­bau einer akzep­tie­ren­den, för­dern­den Arbeits­be­zie­hung; (3) Ent­wick­lung von Zie­len, gezielte Moti­vie­rung und För­de­rung der Mit­a­r­beit des Kli­en­ten bei der Aus­füh­rung von Auf­ga­ben in der The­ra­pie. Wich­tig sind bei die­ser Auf­gabe Trans­pa­renz in Infor­ma­tion und Aus­tausch bei der Erstel­lung von Zie­len. (4) Pro­zess-direk­ti­ves Vor­ge­hen zur geziel­ten För­de­rung erfah­rungs­ori­en­tier­ter Pro­zesse beim Kli­en­ten; (5) För­de­rung der Selbst­re­gu­la­tion des Kli­en­ten, sei­nes Wachs­tums und sei­ner Selbst­be­stim­mung und (6) För­de­rung, Durch­füh­rung und Abschlie­ßen spe­zi­fi­scher the­ra­peu­ti­scher Auf­ga­ben bis zur voll­stän­di­gen Eva­lua­tion der Wir­kung der the­ra­peu­ti­schen Stra­te­gien. Im Zen­trum steht die Ver­än­de­rung emo­ti­o­na­ler Ver­a­r­bei­tungs­pro­zesse über eine Ver­än­de­rung der emo­ti­o­na­len Sche­mata und der damit ver­bun­de­nen emo­ti­o­na­len Bedeu­tungs­bil­dung.

 

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